Algen, Seepocken und Muscheln, die sich am Rumpf festsetzen, sind in der Schifffahrt ungebetene Passagiere: Sie erhöhen den Treibstoffverbrauch und greifen das Material an. Am Fraunhofer IMWS in Halle haben Forscher in Kooperation mit dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, der bioplan GmbH und der Schiffswerft Barth einen wirksamen und umweltschonenden Schutz gegen dieses Bio-Fouling entwickelt: eine spezielle Lackierung. Sie besteht aus mehreren Schichten, kann Strom leiten und hat in einem Langzeitversuch in der Ostsee bewiesen, wie gut sie funktioniert.
Der Antifouling-Lack des Fraunhofer IMWS ist elektrisch leitend und kann deshalb auf das Prinzip der Elektrolyse setzen: Durch das System aus verschiedenen Lackschichten fließt ein schwacher Gleichstrom. Die äußere Schicht des Lacks fungiert dabei einmal als Anode, an der Sauerstoff entsteht. Dadurch wird die unmittelbare Umgebung sehr sauer.
In regelmäßigen Abständen wird der Stromfluss umgepolt – die Lackschicht wird nun zur Kathode, an der Wasserstoff und damit ein basisches Milieu entsteht. Durch den ständigen Wechsel wird ein pH-Stress erzeugt, der die Ansiedlung von Organismen verhindert.
Der Antifouling-Lack besteht aus mehreren Schichten. Jede einzelne davon muss genau die richtige Zusammensetzung, Dicke und elektrische Leitfähigkeit haben, sodass sie der Belastung durch Salzwasser und Sonnenlicht standhält.
Auf den Rumpf des Schiffes kommt zunächst eine Grundierung, die auch bei hohen Schiffsgeschwindigkeiten ausreichend haften muss.
Darüber liegt eine Schicht, die mit hochleitfähigen Partikeln angereichert wurde. Sie muss den Strom möglichst gleichmäßig über die ganze Fläche des Rumpfs verteilen.
An der Zusammensetzung dieser Schicht haben die Forscher besonders lange getüftelt: Wie hoch muss die Anzahl der Mikro- und Nanopartikel sein? Sollten sie aus Graphit, Ruß, Kohlenstoffröhrchen oder Metallen bestehen? Wie bringt man sie in den Lack hinein und wie stellt man sicher, dass der Lack durch die Elektrolyse nicht selbst zersetzt wird? All diese Fragen mussten die Fraunhofer-Forscher und ihre Partner beantworten.
Ganz außen kommt schließlich eine Lackschicht hinzu, die möglichst glatt sein sollte, um Bewuchs zusätzlich zu erschweren.
Auch sie verfügt dank ihrer speziellen Struktur über eine geringe elektrische Leitfähigkeit.
Der Strom für die Elektrolyse, der im Antifouling-Lack fließt, ist so klein, dass er auch aus einer Photovoltaikanlage an Bord geliefert werden könnte. Kontrolliert wird der Ablauf über eine Steuerungseinheit. Dort kann man einstellen, wie schnell der Wechsel zwischen sauer und basisch im Wasser rund um das Schiff erfolgen soll. So lässt sich der Antifouling-Effekt an die jeweilige Situation anpassen. Denn bei geringer Geschwindigkeit, im Hafen oder in tropischen Gewässern ist die Fouling-Gefahr deutlich größer als bei schneller Fahrt und niedrigen Wassertemperaturen.
Schon in der Antike hatten die Seefahrer mit Unterwasser-Bewuchs zu kämpfen und suchten nach Gegenmaßnahmen. Später wurden Farben mit Organozinn-Verbindungen und anderen Bioziden angewandt, die auf den Rumpf aufgetragen wurden und einen Bewuchs verhinderten. Erstere sind mittlerweile verboten, andere oft sehr umstritten: Die giftigen Stoffe lösen sich nach und nach vom Schiff ab, reichern sich im Wasser und Meeresboden an und schädigen Pflanzen und Tiere. Auch die aktuell häufig eingesetzten Anstriche mit Kupferverbindungen stehen im Hinblick auf ihre Umweltverträglichkeit in der Diskussion. Andere verfügbare Ansätze wie Folien, Silikonbeschichtungen oder eine regelmäßige Reinigung des Schiffsrumpfs mit Sandstrahl im Trockendock funktionieren nicht dauerhaft oder sind für die Schiffseigner sehr teuer.
Feste Oberflächen, die man ins Meer eintaucht, werden von Muscheln, Polypen, Schwämmen, Moostierchen oder Seepocken schnell als Lebensraum erobert. Für die Seefahrt ist dieser Bewuchs ein gravierendes Problem – und letztlich durch den verursachten Mehrverbrauch Treibstoff auch für die Umwelt.
Feste Oberflächen im Wasser sind für viele Meeresbewohner ein willkommener Lebensraum. Am Rumpf von Schiffen siedeln sich unter Wasser besonders häufig Tiere wie Miesmuscheln, Röhrenwürmer, Seepocken, Polypen oder Schwämme an. Auch Pflanzen wie Algen und Tang tragen zum Bewuchs bei. Besonders schnell passiert das in nährstoffreichen Gewässern mit einer Temperatur über 10°C, beispielsweise in den Tropen, aber auch in Mündungsgebieten und Hafenbecken.
Muscheln, Krebse und andere Organismen haben Methoden entwickelt, um selbst an sehr glatten Oberflächen zu haften, beispielsweise durch Unterdruck oder natürliche Klebstoffe. Oft sind die so stark, dass der Unterwasserbewuchs auch bei voller Fahrt am Schiff haften bleibt. Fouling fördert dabei Fouling: Wenn Bakterien oder andere Organismen sich einmal an einem Schiffsumpf festgesetzt haben, senden sie oft Botenstoffe aus, die andere Lebewesen anlocken. Hat sich der Bewuchs erst einmal festgesetzt, breitet er sich somit oft rasch auf der Oberfläche aus. Ausgangspunkt ist meist ein organischer Film aus Zucker und Eiweißen, auf dem sich zunächst Bakterien, dann Einzeller (z. B. Algen) und dann Mehrzeller (z.B. Muscheln) ansiedeln.
Wie gut funktioniert der Antifouling-Lack? Um das herauszufinden, haben die Forscher des Fraunhofer IMWS verschiedene Metallstücke mit verschiedenen Varianten des Lacks beschichtet und dann ins Wasser der Ostsee getaucht – 16 Monate lang. Es zeigte sich: Ohne stromdurchflossenen Lack bildet sich eine dicke Schicht aus Muscheln, Seepocken und anderen Organismen. Bei intervallweisem Stromfluss durch die Lackoberfläche bleiben die Metallstücke sauber. Auch ein Schiff wurde bereits mit der Antifouling-Technologie beschichtet, der erste Versuch verlief ebenfalls erfolgreich. Jetzt soll die Idee so weiterentwickelt werden, dass sie künftig in Werften für Schiffe jeder Größe eingesetzt werden kann.
Meeresorganismen, die als blinde Passagiere am Schiffsrumpf um die Welt reisen, können auch zur Bedrohung für die Umwelt werden: Sie erreichen innerhalb weniger Tage ganz neue Lebensräume. Wenn sie dort überleben können und zudem keine natürlichen Feinde haben, vermehren sie sich ungestört und bringen so die etablierten Ökosysteme durcheinander. Große Häfen werden so häufig zu Einfallstoren für diese Eindringlinge, allein in Nord- und Ostsee konnten sich jeweils schon 80 bis 100 exotische Arten ansiedeln. Ein wirksamer Antifouling-Schutz kann diese Gefahr reduzieren.
Die Weltmeere sind der wichtigste Transportweg für den globalen Güterverkehr: Neun Milliarden Tonnen Waren werden jährlich auf ihnen transportiert. Der Bewuchs von Schiffen unter Wasser ist dabei ein erheblicher Kostenfaktor: Er erhöht den Reibungswiderstand des Rumpfs und führt damit zu längeren Fahrtzeiten, höherem Treibstoffverbrauch und zusätzlichen Reinigungskosten. Das schlägt sich in höheren Preisen für die transportierten Güter und höherer Umweltbelastung nieder.
Waren im Wert von rund 450 Milliarden Euro werden pro Jahr auf See transportiert. Dafür sind weltweit knapp 1,3 Millionen Seeleute auf rund 50.000 Handelsschiffen unterwegs. Das Meer wird dabei als Transportroute immer stärker genutzt: Gemessen in Bruttotonnen ist die weltweite Handelsflotte heute fast viermal so groß wie vor 40 Jahren. Die meisten Schiffe sind Massengutfrachter (41 Prozent), gefolgt von Rohöltankern (38 Prozent) und Containerschiffen (14 Prozent). Passagierschiffe machen nur 1 Prozent der weltweiten Schiffsflotte aus.
Schiffe werden immer größer und schneller: Die größten Frachtschiffe können heute mehr als 10.000 Standardcontainer laden und erreichen Spitzengeschwindigkeiten von 50 km/h. Solch ein riesiger Frachter verbraucht rund 14000 Liter Schweröl pro Stunde. Bio-Fouling hat dabei enorme Auswirkungen: Durch den Bewuchs unter Wasser erhöht sich der Reibungswiderstand teils erheblich. Bei einer Rumpffläche von 2000 Quadratmetern und einer durchschnittlichen Bewuchshöhe von 4,5 Millimetern steigt der Treibstoffverbrauch bereits um 40 Prozent.
Knapp 1 Milliarde Tonne CO2 stößt die weltweite Schifffahrt pro Jahr aus, das entspricht circa 3 Prozent der globalen CO2-Emissionen. Wenn durch Bewuchs unter Wasser der Treibstoffverbrauch eines Schiffs steigt, stößt es noch mehr Treibhausgase aus. Eine Anti-Fouling-Lackierung kann das verhindern. Eine Reduzierung des Treibstoffverbrauchs um 20 Prozent würde schon 200 Millionen Tonnen CO2 einsparen – das ist so viel, wie Argentinien in einem Jahr ausstößt.
Fouling ist nicht nur im Hinblick auf den Treibstoffverbrauch ein Problem. Der Unterwasserbewuchs greift auch das Material an, das Schiff muss häufiger gereinigt und gewartet werden. Auch die Manövrierbarkeit kann beeinträchtigt werden. Ein Antifouling-Lack verhindert das. Er ist auch für weitere Anwendungen jenseits der Schifffahrt nutzbar, etwa für die Fundamente von Offshore-Windturbinen oder Bohrinseln, die ebenfalls vor Unterwasserbewuchs geschützt werden müssen.