»KupferDigital«: Daten-Plattform soll Effizienz, Produktivität und Nachhaltigkeit steigern
Eine Plattform mit Daten zu Kupfer-Legierungswerkstoffen entlang des gesamten Lebenszyklus möchte das Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS gemeinsam mit Partnern im Projekt »KupferDigital« bereitstellen. Die mittels Ontologien verknüpften Daten verbinden Werkstoffcharakterisierung, Legierungsentwicklung, Performance und Lebensdauer bis hin zum Recycling. Das ermöglicht eine beschleunigte Materialentwicklung sowie die Analyse ganzer Produktkreisläufe, um diese sowohl nachhaltiger als auch produktiver zu gestalten – bei voller Datensouveränität.
Kupfer ist mit einem Verbrauch von rund 28 Millionen Tonnen pro Jahr einer der weltweit wichtigsten Werkstoffe. Das Metall ist leicht zu verarbeiten und zudem ein idealer Leiter für Wärme und Elektrizität. Für die meisten Motoren und Generatoren ist es deshalb ebenso unverzichtbar wie für zahlreiche Anwendungen in der Elektronik oder in Kommunikationstechnologien.
Für die Entwicklung neuer Kupferlegierungen, eine effizientere Nutzung des Metalls sowie bessere Möglichkeiten zum Recycling bietet die Digitalisierung erhebliche Chancen. Diese wollen Forschungsinstitut Edelmetalle und Metallchemie (FEM), das Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM, das Institut für Angewandte Informatik e.V. (InfAI), das zum Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) gehörige Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie (HIF), die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), das Deutsches Kupferinstitut (DKI) und das Fraunhofer IMWS innerhalb von drei Jahren im Projekt »KupferDigital« erschließen.
Die Projektpartner setzen dabei auf öffentlich frei zugängliche Ontologien, also auf eine formal geordnete Repräsentation von Daten und der zwischen ihnen bestehenden Beziehungen, um Forschungs-, Produktions- und Prozessdaten zu beschreiben, damit das Zusammenspiel zwischen allen beteiligten Partnern in einer Wertschöpfungskette ermöglicht wird. Daten zwischen den Partnern maschinenverständlich auszutauschen wird Entwicklungszyklen für neue Legierungen und Produkte, aber auch für Fehlerdetektion erheblich beschleunigen. Die Kupferontologie als gemeinsame öffentliche Sprache ermöglicht es interessierten Partnern ihre relevanten Daten auf diese Weise für alle verständlich auszudrücken und an einem gemeinsamen Datenraum teilzunehmen.
Der »digitale Materialzwilling« soll Material-, Prüf-, Produktionsprozess-, Simulations- und Recycling-Daten berücksichtigen, die den gesamten Lebenszyklus kupferbasierter Werkstoffe umfassen. Aus welcher Mine stammt das Erz? Mit welchen Prozessrouten wurde die Legierung hergestellt? Wie ist das Einsatzverhalten in einem bestimmten elektronischen Bauteil? Wie hoch ist der Anteil wertvoller Werkstoffe in einem Produkt, die recycelt werden können? Solche und vergleichbare Fragen sollen mit der im Projekt entwickelten Demonstrator-Plattform zu beantworten sein.
»Aufbauend auf bestehenden Ansätzen wollen wir diese ganzheitliche Lösung eines virtuellen Materialdatenraums umsetzen. Voraussetzung für die Entwicklung einer geeigneten Ontologie und eines leistungsfähigen Daten-Ökosystems sind eine geeignete Struktur der Daten und Metadaten sowie eine Systematisierung des Umgangs mit hierarchischen, prozessabhängigen Werkstoffdaten«, sagt Thomas Hanke, der das Projekt im Bereich Ontologieentwicklung am Fraunhofer IMWS betreut.
Das Institut in Halle (Saale) bearbeitet innerhalb von »KupferDigital« das Teilvorhaben »Mikrostruktur und Eigenschaftskorrelation« und bringt dabei beispielsweise seine Expertise zur systematischen Mikrostrukturanalyse, theoretischen Finite-Elemente-Modellierung sowie mechanischer und normkonformer Charakterisierung von Kupfer und Kupferlegierungen in den digitalen Datenraum ein, wobei hochauflösende Methoden wie EBSD, XRD, XRM/XCT und Transmissionselektronenmikroskopie eine Abbildung bis in den nm-Bereich erlauben. Diese Detailgenauigkeit ist entscheidend: Die Materialstruktur auf der atomaren Ebene kann erheblichen Einfluss auf das spätere Einsatzverhalten haben, bei der Leistungsfähigkeit eines Werkstoffs ebenso wie beim Entstehen von Defekten.
»Wir wollen eine vertiefte physikalische Analytik der Struktur-Eigenschafts-Beziehungen beispielhafter Kupferlegierungen und eine fundierte digitale Beschreibung der Untersuchungsprozesse etablieren. Die gewonnen Daten und Prozessbeschreibungen gilt es dann, in passenden Formaten für einen skalenübergreifenden Workflow in die Ontologieentwicklung zu überführen, sodass Daten und Protokolle automatisiert in das Datenökosystem Kupfer übernommen werden können«, beschreibt Robert Klengel die Zielsetzung seines Teilvorhabens am Fraunhofer IMWS. Die Herausforderung besteht darin, komplexe Materialdaten verschiedener Untersuchungsmethoden über mehrere Skalen konsistent miteinander semantisch zu verknüpfen, also beispielsweise geeignete Datenübergabeformate zu entwickeln.
Besondere Bedeutung bei der aufzubauenden Plattform haben Datenvollständigkeit, -qualität und -souveränität. »Bisherige Ansätze zu digitalen Zwillingen im Materialbereich scheiterten oft an Bedenken bezüglich der Datenhoheit und Angst vor Industriespionage. Wir setzen auf dezentrale Datenbanken, die Datensouveränität für Industriepartner innerhalb der International Data Spaces ebenso ermöglichen wie die Option des Teilens von Daten mit der wissenschaftlichen Community«, sagt Hanke. »Diese Verknüpfung von Erkenntnissen aus der Forschung mit den Inhalten der Prozessverfolgung und Fertigung von Industriepartnern ist einer der großen Vorteile des Projekts, von dem alle Bereiche profitieren können«, bestätigt Klengel.
Anhand des entstehenden Datenraums lässt sich beispielsweise simulieren, wie sich neue Legierungen über mehrere Skalen und Lebensabschnitte verhalten, was eine beschleunigte Entwicklung von neuen Legierungen mit signifikant anderen Eigenschaften verspricht. Der Energie- und Rohstoffverbrauch von Produktionsprozessen kann optimiert und Recyclingquellen und -routen können besser bewertet werden. Der Ansatz lässt sich auch auf andere Werkstoffe wie Stahl oder Aluminium übertragen. Das gilt auch für die Ontologien, die Mikrostrukturuntersuchungsmethoden beschreiben. Diese sollen so gestaltet sein, dass sie leicht in andere Workflows integriert beziehungsweise für individuelle Bedarfe adaptiert werden können.