Aus England nach Mitteldeutschland: Prof. Ralph Gottschalg ist neuer Leiter der Abteilung Zuverlässigkeit und Technologie für die Netzparität am Fraunhofer-Center für Silizium-Photovoltaik CSP in Halle (Saale) und hat zudem die Professor für das Gebiet »Photovoltaische Energiesysteme« an der Hochschule Anhalt angetreten. Der gebürtige Karlsruher kommt von der Loughborough University/England nach Sachsen-Anhalt. Im Interview 100 Tage nach seinem Amtsantritt erklärt der 48-jährige Physiker, was ihn an den neuen Aufgaben reizt, welche Ziele er sich gesetzt hat und wie er die Perspektiven der Photovoltaik in Deutschland beurteilt.
Nach mehr als 20 Jahren in England sind Sie am 15. April ans Fraunhofer CSP nach Halle gegangen und zugleich Professor an der Hochschule Anhalt geworden. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?
Es war ein guter Zeitpunkt für einen Wechsel. Meine Arbeit war bisher immer sehr praxisorientiert und somit sind der Anwendungsfokus und die Industrienähe des Fraunhofer CSP sehr reizvoll für mich. Meine bisherigen Schwerpunkte passen sehr gut zu den Aktivitäten des Fraunhofer CSP, sodass ich zuversichtlich bin, hier einen positiven Beitrag leisten zu können.
Hat der Brexit eine Rolle bei Ihrer Entscheidung zur Rückkehr nach Deutschland gespielt?
Der Brexit war der Stein des Anstoßes. Seit diesem Votum habe ich mich mit dem Gedanken beschäftigt, aus England wegzugehen. Natürlich musste dazu aber auch noch ein reizvolles Angebot für eine neue Tätigkeit kommen. Insofern war der Brexit schlussendlich nicht der Grund für den Wechsel, aber der Initiator.
Sind jetzt seit 100 Tagen in der neuen Funktion im Amt. Wie fällt die Zwischenbilanz aus und was möchten Sie als neuer Leiter des Fraunhofer CSP erreichen?
Bis April hatte ich die Arbeiten des Fraunhofer CSP von außen betrachtet. Diese unvoreingenommene Perspektive hat sich als sehr wertvoll erwiesen und mein Eindruck ist weiterhin: Das Fraunhofer CSP ist hervorragend aufgestellt für die Technologiebegleitung von Innovationen, etwa neue Anwendungsfelder wie Fahrzeug-integrierte und Gebäude-integrierte Photovoltaik, die Qualitätssicherung entlang der gesamten Wertschöpfungskette, neue Mess- oder Automatisierungsansätze und die Leistungsoptimierung von Systemen. In den ersten 100 Tagen habe ich mich darauf konzentriert, einen Eindruck von innen zu gewinnen, vor allem durch Gespräche mit den neuen Kollegen. Daraus werden sich jetzt die konkreten Ziele ableiten. Was ich schon sagen kann: Die Energiewende ist mir persönlich sehr wichtig. Ich möchte zum Erfolg der Photovoltaik beitragen. Ich sehe auch, dass in den vergangenen Jahren ein Großteil der Modulhersteller aus Deutschland abgewandert ist und zugleich die Zulieferer immer größerem Kostendruck ausgesetzt sind. Ein Problem für die Industrie ist, dass es derzeit nicht möglich ist, den Wert von Innovationen zu bestimmen. In diesem Punkt zu einer Lösung beizutragen, ist mir ein wesentliches Anliegen.
Parallel sind Sie zum Professor für »Photovoltaische Energiesysteme« an der Hochschule Anhalt berufen worden. Was macht gute Hochschullehre für Sie aus? Welche Impulse möchten Sie dem Studiengang geben?
Gute Hochschullehre bedeutet für mich, einen engen Bezug zu den Studierenden zu haben und auch den Dialog zu suchen. Das kann beispielsweise bedeuten, über eine Evaluation die Bedürfnisse der Studentinnen und Studenten abzufragen, um dadurch Feedback für eine kontinuierliche Verbesserung der Lehre zu erhalten. Eine praxisorientierte Ausbildung sollte zudem gute Karriereaussichten eröffnen. Da können wir unterstützen, indem wir schon während des Studiums eng mit möglichen Arbeitgebern zusammenarbeiten. Die Impulse, die ich dem Studiengang gerne geben möchte, liegen vor allem in der anwendungsbezogenen Betrachtung der Solarenergie. Ich möchte also nicht nur technologische Fragestellungen in den Blickpunkt rücken, sondern auch die Betrachtung spezifischer Anwendungen und deren Pflichtenhefte.
Der englischsprachige Studiengang ist ein Beispiel für die zunehmende Internationalität der Hochschule Anhalt. Welche Möglichkeiten haben Sie, diesen Aspekt zu stärken, gerade durch die Einbindung Ihres persönlichen Netzwerks?
Ich habe in der Vergangenheit sehr international gearbeitet und pflege weiterhin sehr gute Verbindungen zu amerikanischen und asiatischen Universitäten. Es ist mein Ziel, fruchtbare Kooperationen mit einigen Partnern zu arrangieren, die einerseits das Interesse an einem Studium bei uns noch weiter steigern, andererseits den Bekanntheitsgrad der Hochschule Anhalt noch erhöhen sollen.
Die Solarbranche in Deutschland hatte zuletzt einen schweren Stand. Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit aus?
Richtig ist, dass es kaum noch Modulhersteller gibt. Diese Situation kenne ich aber aus England, wo der Photovoltaikmarkt erst ab 2011 richtig Fahrt aufgenommen hat. In Deutschland ist die Solarforschung nach wie vor stark, auch etliche internationale Marken haben hier ihre Forschungsaktivitäten konzentriert. Deutschland hat zudem eine führende Rolle im Maschinenbau für die Solarbranche, das ist besonders reizvoll im Blick auf die Photovoltaik-Industrie 4.0. Generell wird bei der Bewertung der Branche vielleicht ein wenig zu großer Fokus auf die Modulherstellung gerichtet. Die Photovoltaik kann man mit dem Mobilfunk vergleichen: Das ist ein essentieller Industriebereich, in dem fast alle Geräte in China produziert werden. Aber Zulieferer, Betriebsführung und Finanzierung tragen auch anderswo signifikant zur Wertschöpfung bei, auch in Deutschland.
Was werden Sie aus Ihrer Zeit in Loughborough am meisten vermissen?
Es gibt viele Dinge, die ich vermissen werde, besonders aber die Zusammenarbeit mit einigen Kollegen.
Und worauf freuen Sie sich in Ihrer neuen Position am meisten?
Die Möglichkeiten zur Förderung der Photovoltaik, die sich durch die Leitung einer exzellent aufgestellten Einrichtung wie dem Fraunhofer CSP und die Tätigkeit an einer anwendungsorientierten und forschungsstarken Hochschule wie der Hochschule Anhalt ergeben.