Die Oberfläche von Kunststoffen, Metallen und Halbleitern wird im Verarbeitungsprozess oft gezielt angepasst, damit die Materialien optimal für eine bestimmte Anwendung geeignet sind. Die Bearbeitung mit kaltem Plasma ist dabei eine besonders leistungsfähige Methode: Folien, die damit behandelt wurden, können besser bedruckt werden, Solarzellen können das einfallende Sonnenlicht besser in Strom umwandeln. Doch was genau passiert, wenn kaltes Plasma auf eine Folie oder Solarzelle trifft? Das wollen Forscher des Fraunhofer IMWS in einem neuen Projekt herausfinden. Ihre Antworten können helfen, die Verarbeitungsprozesse zu optimieren und neue Anwendungsfelder zu eröffnen.
Als Plasma bezeichnet man elektrisch geladene Gasgemische. In der Industrie wird Niederdruck-Plasma bereits häufig genutzt. Es wird auch »kaltes Plasma« genannt: Weil dem Gasgemisch nur eine geringe Energiemenge zugeführt wird, werden nur die darin enthaltenen Elektronen in Bewegung gesetzt, nicht aber die größeren elektrischen Ladungsträger. Würden auch sie sich bewegen, wäre das Gasgemisch schnell Tausende von Grad heiß. Solches kaltes Plasma bei Raumtemperatur und Atmosphärendruck zu erzeugen, ist erst seit etwa 20 Jahren möglich – durch die neue Technologie haben sich vielfältige neue Anwendungsmöglichkeiten ergeben. Neben der Bearbeitung von Kunststoffen, Solarzellen oder Halbleiter-Materialien wird Niederdruck-Plasma beispielsweise auch in der Medizin genutzt, zur Wundbehandlung oder in der Krebstherapie.
In der industriellen Anwendung profitieren die Hersteller vor allem von der schnellen und vielfältigen Wirkung durch Plasmabearbeitung. Um beispielsweise die Oberflächeneigenschaften einer Folie zu verändern, reicht eine Behandlungszeit von unter einer Sekunde. Die Methode kann zur Reinigung von Oberflächen, Aktivierung, Ätzung/Texturierung oder Funktionalisierung/Beschichtung genutzt werden. So lässt sich durch eine Aktivierung etwa die Oberflächenenergie der Folie erhöhen, dadurch verbessert sich die Benetzung mit Druckfarben oder Klebstoffen.
Eine Herausforderung ist es noch, den Prozess immer in gleicher Weise ablaufen zu lassen, weil verschiedene Faktoren wie Druck, klimatische Bedingungen, Behandlungsdauer, Gasfluss und chemische Zusammensetzung des Gasgemischs den Effekt der Plasmabehandlung insbesondere unter Atmosphärendruck beeinflussen. Zudem wäre es ein Vorteil, die erzielten Eigenschaften der Oberfläche noch spezifischer bestimmen zu können, also beispielsweise eine Plasmabehandlung zu entwickeln, die genau die gewünschten Effekte hinsichtlich Adhäsion, Antistatik, Antibeschlag oder antibakterieller Wirkung hervorruft.
Genau hier setzt das bis Oktober 2019 laufende Projekt »FlexPlas« an, das Teil des Leistungszentrums Chemie- und Biosystemtechnik ist: Die Fraunhofer-Forscher wollen erkunden, was genau passiert, wenn das Plasma auf die Oberfläche eines Materials trifft. Welche Teilchen im Plasma rufen die entscheidenden Veränderungen hervor? Wie lange bleiben diese Veränderungen stabil? Wann erreicht der Prozess sein Optimum, ehe sich die Eigenschaften wieder verschlechtern? Mit den Antworten auf diese Fragen wäre eine bessere Prozesskontrolle möglich, ebenso wie eine genauere Steuerung der chemischen und morphologischen Eigenschaften der behandelten Oberflächen.
Auch im Bereich der Photovoltaik gibt es dazu großen Bedarf. Hier wird Niederdruck-Plasma eingesetzt, um organische Molekülreste auf der Oberfläche von Solarzellen zu beseitigen oder die Oberflächen zu passivieren, also vor unerwünschter Korrosion zu schützen. Ein weiteres wichtiges Anwendungsfeld ist die Texturierung des Siliziummaterials, aus dem die Solarzellen bestehen. Das einfallende Sonnenlicht wird dann beim Auftreffen auf die Oberfläche durch deren spezielle Struktur so gelenkt, dass es besser in Strom umgewandelt werden kann – der Wirkungsgrad der Solarzelle steigt also. Insbesondere bei den sogenannten »kerfless«-Wafern (bei ihnen entfällt das bisher übliche Herstellen und Sägen von Siliziumblöcken) bietet die Plasmatexturierung großes Potenzial.
Während das Prozessfenster bei der Plasma-Behandlung von Folien einigen Spielraum bietet, ist das Erzeugen genau definierter Strukturen auf der Oberfläche von flexiblen Wafern aus multikristallinem Silizium ungleich schwieriger. Denn es gilt, die optischen und die elektrischen Eigenschaften gleichzeitig zu optimieren. Eine genaue Kontrolle der Gasphase ist deshalb entscheidend, um die Methode später kostengünstig in der Großproduktion anwenden zu können.
Um dafür den Weg zu bereiten, wollen die Forscher in Halle neue Messverfahren entwickeln, mit denen sich Plasmabehandlungsprozesse deutlich verbessern lassen. Zudem soll für die neuartige Plasmatexturierung von Solarwafern eine Diagnostik etabliert werden, um die aufwändigen Prozesse für eine Anwendung in der Massenfertigung überwachen zu können. Mit optischen und massenspektroskopischen Techniken werden dabei während des Prozesses der Plasmabehandlung die Zusammensetzung des Gasgemisches sowie die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Teilchen darin gemessen. Die entwickelten Verfahren sollen später für die Prozessüberwachung an industriellen Anlagen eingesetzt werden können.