Röntgen-CT an thermoplastischen Faserverbundstrukturen

Leichtbau in Fahrzeugstrukturen wird durch Klimaschutzbestimmungen und Ressourcenknappheit immer bedeutender. Metallische Werkstoffe werden in Automobilkomponenten zunehmend durch faserverstärkte Kunststoffe (FVK) ersetzt. In aktuellen FuE-Projekten geht es darum, deren Einsatzgebiet auf mechanisch hochbelastete, tragende Bauteilstrukturen zu erweitern.

Insbesondere thermoplastische Faserverbundwerkstoffe mit Endlosfaserverstärkung gewinnen aufgrund ihrer schnellen Verarbeitbarkeit sowie ihrer hohen Festigkeits- und Steifigkeitskennwerte an Bedeutung. Die Verstärkungsfasern werden in Form vorimprägnierter und vorkonsolidierter Halbzeuge mit unidirektionaler Faserausrichtung (UD-Tapes) in das Bauteil eingearbeitet und der mechanischen Beanspruchung optimal angepasst. Mit dieser lastgerechten Auslegung wird das Leichtbaupotenzial des Werkstoffs bestmöglich ausgenutzt. Dies führt jedoch dazu, dass bereits bei geringen Abweichungen von der vorgegebenen Orientierung der Verstärkungsfasern eine Verminderung der mechanischen Performance auftritt.

 

Röntgen-Computertomographie

 

Mittels Röntgen-Computertomographie, bei der die innere Struktur eines Materials dreidimensional und zerstörungsfrei abgebildet und anschließend analysiert werden kann, lassen sich sowohl der Faserverlauf als auch weitere fertigungsbedingte Fehlstellen in den Bauteilen identifizieren. Mit der Anlage RayScan 200E können auf diese Weise Objekte mit der Größe eines Pkw-Frontendträgers gescannt werden (Bild Seite 71 links). Der Frontendträger im Auto fungiert als Aufnahme für Scheinwerfer, Kühler, Haubenschloss und gegebenenfalls Sensorik (zum Beispiel Abstandssensoren). Damit er im Betrieb den Steifigkeits- und Festigkeitsanforderungen gerecht wird, sind unter anderem die Einhaltung der vorgegeben Faserorientierung, die weitgehende Porenfreiheit des spritzgegossenen Bauteils sowie dessen geometrische Maßhaltigkeit und Verzugsfreiheit entscheidend. Anhand von Röntgen- CT-Aufnahmen der am Fraunhofer-Pilotanlagenzentrum für Polymersynthese und Polymerverarbeitung PAZ hergestellten Technologie-Demonstratoren wurden diese Parameter sowohl qualitativ als auch quantitativ untersucht, um entwicklungsbegleitend Rückschlüsse auf die optimalen Fertigungsparameter gewinnen zu können.

 

Analyse eines UD-Tape-verstärkten Frontend-Trägers

 

Dabei handelt es sich um einen Bereich des Bauteils aus Langglasfaser-verstärktem Thermoplast (LFT), der durch vorkonfektionierte Laminate aus mehreren UD-Tape-Einzellagen verstärkt ist. Zur Bewertung der Qualitätsmerkmale wurde zunächst die Geometrie des Bauteils anhand des 3D-Bilddatensatzes vermessen. Mithilfe von idealisierten, geometrischen Körpern, die an die 3D-Bilddaten angefittet wurden, konnte die Einhaltung der Soll-Geometrie, wie zum Beispiel der Formtoleranzen, überprüft werden. Das Bild oben rechts zeigt die geometrische Vermessung eines Anschraubdoms. Erheblichen Einfluss auf die mechanische Performance des Bauteils hat die Ausrichtung der Verstärkungsfasern. Durch Schnittbilder lassen sich die Ausrichtungen der UD-Tape- Einzellagen (hier im 0°/90°-Laminataufbau) lagenweise analysieren. Außerdem konnten abhängig von den Fertigungsparametern bei der Herstellung der UD-Tapes Faserwelligkeiten in der Lagenebene festgestellt werden. In den LFT-Bereichen des Bauteils stellt sich abhängig von der Bauteilgeometrie und den Fertigungsparametern im Spritzgussprozess eine lokale Faserorientierungsverteilung ein. Mittels 3D-Bildanalyse konnten die Langfaserbündel in einem Bildausschnitt eines LFT-Bereichs segmentiert und deren Orientierungen in Bezug auf ein vorgegebenes Bauteil-Koordinatensystem automatisiert vermessen werden. Auf diese Weise konnte die sich einstellende Faserorientierungsverteilung mit den Fertigungsparametern korreliert werden, um insbesondere an geometrisch komplexen Stellen durch eine Optimierung der Prozessparameter eine optimale Faserverteilung zu gewährleisten. Für die weiterführende Analyse des strukturmechanischen Verhaltens des Bauteils lassen sich die ermittelten lokalen Faserorientierungen in Finite-Elemente Programmen weiterverarbeiten. Durch den Einsatz von Röntgen-CT in Verbindung mit 3DBildanalyse lassen sich demnach die komplexen Korrelationen zwischen den Prozessbedingungen bei der Verarbeitung von faserverstärkten Kunststoffen und der resultierenden Mikrostruktur des Werkstoffs einerseits sowie zwischen der Mikrostruktur und dem daraus resultierenden Werkstoffverhalten andererseits effektiv untersuchen. Dies führt insbesondere bei der Entwicklung neuer FVK-Fertigungstechnologien zu einer signifikanten Effizienzsteigerung und trägt zu einem verbesserten Verständnis des Werkstoffverhaltens bei.