Schiffsrümpfe und andere Unterwasserbauten sind konstant dem Meerwasser ausgesetzt. Mit der Zeit siedeln sich dadurch Muscheln, Seepocken und Algen an den Unterwasserstrukturen an. Dieses Phänomen bezeichnet man als Biofouling. Es tritt insbesondere an Schiffsrümpfen und -nischen auf und ist abhängig von der Meeresregion, dem Salzgehalt und dessen Zusammensetzung sowie der Meeresfauna und -flora. Biofouling führt bei Schiffen zu höherem Treibstoffverbrauch, einer eingeschränkten Manövrierfähigkeit, der Reduzierung der maximal möglichen Geschwindigkeit, stärkerem Verschleiß, beschleunigter Korrosion sowie verkürzte Wartungsintervallen.
Bisher konnte Biofouling lediglich mechanisch entfernt oder der Bewuchs mittels toxischer Antifoulinglacke verhindert werden. Ein von der bioplan GmbH patentiertes und vom Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS weiterentwickeltes Verfahren bietet nun eine umweltfreundlichere Lösung für diesen Biofouling-Prozess: elektrochemisches Antifouling.
Mittels Wasserelektrolyse an leitfähigen Lackschichten werden Beschichtungssysteme auf einem Schiffsrumpf antifoulingwirksam. Über große Flächen wird dabei eine Kombination eines mäßig leitfähigen Außenlackes mit einem viel höher leitfähigen Innenlackes aufgebracht. Der Lack dient somit als Elektrode für die Elektrolyse. Auf Basis dieser elektrisch leitfähigen und seewasserstabilen Lackschichten wird anhand von rechnergesteuerten und stabilen Gleichstromquellen eine gleichmäßige Verteilung des Elektrolysestroms über große Flächen (> 0,5 m²) erreicht. Die äußere Schicht des Lacks fungiert dabei einmal als Anode, an der Sauerstoff und Chlor entstehen, so dass das Wasser in unmittelbarer Umgebung der Oberfläche sauer wird und der pH-Wert sinkt. In regelmäßigen Abständen wird der Stromfluss umgepolt. Die Lackschicht wird nun zur Kathode, an der Wasserstoff und damit ein basisches Milieu entsteht. Jetzt steigt der pH-Wert wieder an. Durch den ständigen Wechsel wird ein pH- und Redox-Stress erzeugt, der die Ansiedlung von Mikroorganismen verhindert.
Das am Fraunhofer IMWS weiterentwickelte elektrochemische Antifoulingsystem benötigt keine bioziden Materialien und ist universell einsetzbar, erfordert aber durch den notwendigen permanenten Stromfluss eine ständige Energieversorgung.
Ausgehend von bestehenden Prototyp-Lösungen soll innerhalb des Hansenetzwerkes, einem Zusammenschluss verschiedener Fraunhofer-Institute, das grundlegende Verständnis für dieses elektrochemische Antifoulingsystem verbessert und Demonstrationsbeispiele entwickelt werden. Mit Hilfe des Hansenetzwerks sollen die Ergebnisse an verschiedene Industriepartner herangetragen werden, um so das elektrochemische Antifoulingsystem weiterzuentwickeln und zur Anwendungsreife zu bringen.
Das »Hansenetz« ist ein vom Land Schleswig-Holstein gefördertes Technologienetzwerk im Bereich der Aquakultur in dem sich sieben Fraunhofer-Institute zusammengeschlossen haben: die Fraunhofer-Einrichtung für Individualisierte und Zellbasierte Medizintechnik IMTE, das Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS, das Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM, das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD, das Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie IME, das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS sowie der Institutsteil Entwicklung Adaptiver Systeme EAS. Ziel des Netzwerkes ist es verschiedene innovative Technologien zur Verbesserung der ökologischen und wirtschaftlichen Bilanz der Aquakultur zu verbinden.