Welchen Preis kann ich derzeit für das Altpapier erzielen, das in meinem Unternehmen anfällt? Wo wird am meisten für Kunststoffe bezahlt, die recycelt werden können? Wie entwickelt sich der Markt für Metallschrott? Um solche Fragen zu beantworten, untersuchen Forscher des Fraunhofer IMWS Märkte und institutionelle Grundlagen von Wertstoffsammlung, -verwertung und -entsorgung. Die Ergebnisse des Projektes könnten ein wichtiger Baustein werden, um Sekundärrohstoffe effizienter zu nutzen und so die Umwelt zu schützen.
In Deutschland werden alleine in den Hauptstoffklassen Papier, Pappe, Kartonage, Metalle, Kunststoffe und Biomasse 53,6 Millionen Tonnen Sekundärrohstoffe pro Jahr mit einem Gesamtwert von mehr als 5 Milliarden Euro verwertet. Das zeigt: Wertstoffe aus Abfällen spielen in wirtschaftlicher, ökologischer und auch gesellschaftlicher Hinsicht eine bedeutende Rolle. Angesichts der angestrebten Transformation von einer umweltschädigenden Durchflusswirtschaft hin zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft ist das effiziente und effektive Recyceln von Wertstoffen erst recht immens wichtig.
In unseren derzeitigen globalen Recycling-Systemen treten zu viele Probleme auf: Die Wertstoffkreisläufe werden schlecht gesteuert, es gibt zu geringe Recyclingquoten sowie eine zum Teil umweltschädigende Entsorgung von Abfällen. Auch die Nachweisführung über die Verwertung von sekundären Rohstoffen ist eine wesentliche Herausforderung. Die Entscheidungs- und Preissetzungsmechanismen für den Verkauf beziehungsweise Kauf von Wertstoffen sind intransparent und statisch. Oftmals sind die Sammler und Entsorger von persönlichen und regionalen Kontakten abhängig, was die transparente Vermarktung der Produkte erschwert und sinnvolle Preisbildungsmechanismen verhindert.
»Im Moment ist der gesamte Prozess der Wertstoffsammlung, -verwertung und -entsorgung noch wenig effizient. Dies könnte man mit innovativen Rückführungs- und Verwertungsansätzen sowie einer effektiveren Gestaltung von Verwertungswegen umgehen – und genau eine solche Lösung wollen wir erarbeiten«, sagt PD Dr. Christian Growitsch, Leiter des Projekts »Wertstoffkreisläufe und Innovative Nutzung von Abfallstoffen« und Direktor am Fraunhofer-Center for Economics of Materials in Halle (Saale).
Den Fraunhofer-Forschern ist das Problem der Nachweisführung über die Verwertung von sekundären Rohstoffen seit längerem bekannt, daher wollen sie auf Basis umfangreicher Analysen von Stoffströmen und -märkten die Digitalisierung der Wertstoffketten im Materials Data Space® vorantreiben. Langfristiges Ziel soll ein geschlossenes System zur Erfassung von Sekundärrohstoff- und Wertstoffströmen sein. Die notwendigen Prozess- und Marktdaten werden innerhalb des Projektes zusammengetragen, kategorisiert und ausgewertet.
Dazu beschäftigen sich die Forscher des Fraunhofer IMWS zunächst mit materialwissenschaftlichen Untersuchungen. »Wir werden ausgewählte Kunststoffklassen wie Polyamid, Polyethylene, Polycarbonat oder Biopolymere miteinander vergleichen und zur Weiterverarbeitung Datenblätter erstellen. Dies erfordert eine differenzierte Analyse von Materialeigenschaften und Stoffströmen, hauptsächlich steht aber die Verwertung von verschiedenen Kunststoffklassen im Vordergrund«, sagt Christina Hampel, Mitarbeitern am Fraunhofer Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen. Die Datenblätter beinhalten Angaben zu Rohstoffeigenschaften, Verarbeitungsprozessen, Bauteileigenschaften und zur Sammlung beziehungsweise Rückführung der Kunststoffe in bereits bestehende Materialkreisläufe. Im Vordergrund stehen dabei die Eigenschaften der Materialklasse, die Verarbeitungsprozesse, die Darstellung des Marktvolumens und von Marktprognosen, der Vergleich des Kohlendioxid-Footprints, der Überblick über Wege der Rückgewinnung, Sortierung, Verschmutzung und vieles mehr, um eine nachhaltige, ökologische und ökonomische Rückführungsmatrix zu erstellen.