Elektronische Bauteile für Automobilanwendungen sind komplexen Stressbedingungen ausgesetzt, was erhebliche Herausforderungen für die Qualitätskontrolle mit sich bringt. Das Fraunhofer IMWS hat Ursachen von Korrosionsdefekten in dielektrischen Schichten eines HALL-Sensors unter Zusammenwirken verschiedener Stressfaktoren dargestellt. Dabei konnte ein neuartiger Korrosionsmechanismus auf Chipebene nachgewiesen werden.
HALL-Sensoren werden im Auto für zahlreiche magnetische Schaltanwendungen eingesetzt. Dabei sind die Sensoren je nach Anwendung und Bauform unterschiedlichen Stresssituationen ausgesetzt. Insbesondere in direktem Kontakt mit der Umwelt ergeben sich hohe Beanspruchungen durch Feuchtigkeit und Temperaturwechsel mit entsprechenden thermomechanischen Belastungen der Bauteile. Hinzu kommen mechanische Beanspruchungen durch die Einbauform, zum Beispiel durch Overmolding (»Umspritzen«, zusätzliche Einhausung), sowie prozess- und einsatzbedingte Kontaminationen in Verbindung mit Feuchtigkeit, die auf die Sensoren einwirken.
In einer Studie hat das Fraunhofer IMWS seine umfangreichen Kompetenzen zur Zuverlässigkeitsbewertung genutzt, um Feldausfälle von HALL-Sensoren mit den Einsatzgebieten Leuchtweitenregulierung und Drosselklappensteuerung hinsichtlich ihrer Ausfallursachen zu untersuchen. Dieser Sensortyp wurde mit speziellen Schutzstrukturen am Chip-Rand ausgelegt, um die Rissausbreitung ausgehend von Sägekanten in die elektrisch aktive Schaltkreisstruktur zu vermeiden. Alle Sensoren der geöffneten Bauteile zeigten an vergleichbaren Positionen Hinweise auf massive Korrosion von Siliziumsubstrat und Isolationsschichten der Halbleiterstrukturen. Der elektrische Ausfall der Bauteile wird dadurch verursacht, dass diese Korrosion bis hin zu vertikalen Durchkontaktierungen der Metallebenen voranschreitet. Dieser Prozess kann bis zu mehrere Monate, teilweise Jahre schleichend ablaufen, sodass Fahrzeuge erst nach mehreren Zehntausend Kilometern einen Ausfall zeigen.
Mittels hochauflösender Diagnostik mit Elektronenmikroskopie sowie Time-of-Flight-Sekundärionenmassenspektroskopie und begleitender thermomechanischer Simulation konnte der Fehlermodus vollständig aufgeklärt werden. An lokal präparierten Querschnitten im Defektbereich wurden dabei drei nacheinander ablaufende Korrosionsprozesse ermittelt, die ausgehend von der Chipkante in die aktiven Schaltkreisstrukturen voranschreiten. Im ersten Schritt wird das Silizium am Chip-Rand im Graben, der hier lokal nicht passiviert ist, oberflächennah chemisch in gelartige Kieselsäure mit orientierungsabhängiger Ätzrate umgewandelt. Anschließend degradiert der dielektrische Isolator zwischen den Metallebenen mit Ausbildung von Hohlräumen und zersetzt sich ebenfalls in Kieselsäure. Im dritten Schritt werden die nächstliegenden Durchkontaktierungen chemisch beziehungsweise elektrochemisch bis zur vollständigen Unterbrechung korrodiert und verursachen den elektrischen Ausfall des HALL-Sensors.
Die chemischen Reaktionen werden durch nachgewiesene Kalium-Kontamination und Feuchteeintrag initiiert. Da diese Form der Korrosion nur in einzelnen Anwendungen der HALL-Sensoren beobachtet wurde und zudem nur an bestimmten Seitenrändern des Chips auftritt, wurden mechanische Stressfaktoren, die das Bauteil von außen zusätzlich belasten, als auslösendes Element untersucht. Eine Finite-Elemente-Simulation (FEM) des gehausten Chips konnte zeigen, dass das Bauteil schon aufgrund des Packaging-Prozesses unter thermomechanischer Belastung steht. Dabei zeigt sich im Bereich der abgeschrägten Pressmasse des Gehäuses eine erhöhte hydrostatische Zugbelastung, was die Diffusion von Wasser, kombiniert mit ionischen Kontaminationen von außen, begünstigt.
Parallel ergibt sich ebenso im Bereich der beobachteten Korrosion eine lokal auf die Chipoberfläche wirkende, erhöhte hydrostatische Zugbelastung. In Kombination mit Feuchtigkeit wird so das Eindringen korrosiver Medien (zum Beispiel Kaliumhydroxid) auch auf Chipebene befördert und damit eine Korrosion der aktiven Schaltkreisstrukturen ermöglicht. Da der Ausfallmechanismus nur an bestimmten Bauteilen mit jeweils unterschiedlicher Einbausituation auftritt, wurde zusätzlich die Wirkung einer gezielten, äußeren mechanischen Belastung thermomechanisch simuliert. Hiermit konnte belegt werden, dass unter Einwirkung eines positiven Biegemomentes – im Einsatz gegeben durch zusätzliche umgebende Kunststoffe vom Overmolding – der hydrostatische Belastungszustand im oberflächennahen Silizium weiter ansteigt und letztendlich die beobachtete chemische Korrosion auslöst.
Zur Überprüfung der Fehlerhypothese wurde ein Nachstellexperiment aufgebaut, bei dem HALL-Sensorbauteile einer feuchten Kaliumhydroxid-Atmosphäre ausgesetzt wurden. Dabei wurde ein Teil der Sensoren elektrisch betrieben und ein weiterer Teil durch eine externe Einspannvorrichtung einer zusätzlichen mechanischen Beanspruchung ausgesetzt. Im Ergebnis konnte nur an den HALL-Sensoren mit zusätzlicher mechanischer Belastung eine Korrosion an den jeweiligen Chipkanten beobachtet werden. Zusammenfassend konnte ein neuartiger Korrosionsmechanismus auf Chipebene nachgewiesen werden. Dieser wurde durch Feuchte- und Kontaminationseintrag initiiert und durch die Geometrie der Pressmasse, thermomechanische Eigenspannungen im Gehäuse und eine externe mechanische Belastung vom Overmolding beziehungsweise Einbau des Bauteils begünstigt.