Die Eigenschaften von thermoplastischen Kunststoff-Formteilen können erheblich verbessert werden, wenn man sie nach der Formgebung mit Elektronen bestrahlt. Auf diese Weise lassen sich mit preiswerteren technischen Kunststoffen wie Polyamid (PA) Eigenschaften erzielen, die an die von teuren Hochleistungskunststoffen heranreichen. So können konventionelle Polyamide wie PA6 oder PA66 nach der Strahlenvernetzung Temperaturen von bis zu 350°C standhalten, was auch mit teilaromatischen Polyamiden nicht mehr möglich ist und sonst nur mit aromatischen Polyamiden erreicht werden kann.
Die Energie beschleunigter Elektronen bringt bei dieser Methode die Kunststoff-Moleküle dazu, sich untereinander zu verbinden. Einzelne Makromoleküle, die ursprünglich aneinander vorbeigleiten können, werden zu einem dreidimensionalen Netzwerk verknüpft. Die damit entstehende Struktur verbessert die thermischen, mechanischen und chemischen Eigenschaften des Kunststoffs, beispielsweise die Stabilität beim dauerhaften Einsatz in hohen Umgebungstemperaturen oder die Abriebfestigkeit.
Für eine effiziente Strahlenvernetzung muss den meisten Polymeren vorab ein Vernetzungsadditiv zugegeben werden. Die Vernetzung des Polymers findet dann im Anschluss an die Formgebung, die z. B. durch Spritzgießen erfolgt, statt. Hierfür verpackt der Spritzgießer die Teile nach der Formgebung und schickt sie zu einem Bestrahlungsunternehmen, das sie in der Verpackung bestrahlt. Auf diese Weise kann der Formteilhersteller die Teile mit seinen vorhandenen Werkzeugen und Maschinen fertigen, und es fallen keine zusätzlichen Kosten für neue Werkzeuge oder Maschinen an.
Eine effizientere Variante wäre es, die Kunststoff-Granulate bereits vor ihrer Verarbeitung so zu vernetzen, dass sie danach einerseits noch wie gewohnt per Spritzguss zu Formteilen verarbeitet werden können, andererseits aber bereits typische Merkmale vernetzter Thermoplaste aufweisen. Für den Massenkunststoff Polypropylen (PP) konnte diese Variante einer Teilvernetzung bereits erfolgreich erprobt werden.
Anknüpfend an diese Ergebnisse wurde im Forschungsprojekt »PA-X-Granulat«, das Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer IMWS und des Fraunhofer-Pilotanlagenzentrums für Polymersynthese und -verarbeitung PAZ in Schkopau in enger Abstimmung mit den assoziierten Projektpartnern Herotron-E-Beam-Service GmbH in Bitterfeld-Wolfen, Expinos GmbH in Merseburg und der qtec Kunststofftechnik GmbH in Gernrode bearbeiteten, die Möglichkeit untersucht, auch für Polyamid-Granulate eine derartige Teilvernetzung bereits vor der Formgebung vorzunehmen. Dabei muss das teilvernetzte Granulat noch gut zu Formteilen spritzgegossen werden können, zugleich sollen sich aber die Eigenschaften des Formteils gegenüber denen eines Formteils aus unvernetztem Material verbessern. Da sich bereits bei einer Teilvernetzung des gesamten Polyamids das Fließverhalten erheblich verschlechtert, wurde das Vorhaben auf Polyamid-Blends konzentriert und der Ansatz einer sogenannten »selektiven Vernetzung«, bei der nur eine der Blend-Komponenten vernetzt wird, verfolgt. Schlagzähmodifiziertes Polyamid ist ein Blend aus einer kontinuierlichen Polyamid- und einer diskontinuierlichen Elastomerphase und von praktischer Relevanz. Gegenstand des Vorhabens war daher die Untersuchung der Möglichkeit einer selektiven Vernetzung des im Polyamid feinverteilten Schlagzähmodifikators bei möglichst unvernetztem Polyamid und die Bewertung ihres Einflusses auf die sich einstellenden Eigenschaften des selektiv vernetzten, schlagzähmodifizierten Polyamids.
Für die selektive Vernetzung wurden in einem ersten Schritt Schlagzähmodifikatoren ausgewählt. Diese wurden mit Additiven versehen und mit einem Doppelschneckenextruder zu schlagzähmodifiziertem Polyamid mit feindisperser Blendphase verarbeitet. Die selektive Vernetzung der mit den modifizierten Schlagzähmodifikatoren ausgestatteten Polyamid-Granulate erfolgte durch Elektronenbestrahlung. Die unbestrahlten und bestrahlten Blends wurden umfassend mechanisch und strukturell charakterisiert. Zur Bestimmung der Phasenverteilung erfolgten Untersuchungen mit der Rasterkraftmikroskopie (AFM).
Auf diese Weise konnten geeignete Verarbeitungsbedingungen und Rezepturen identifiziert werden. Nach der Auswahl geeigneter Polyamid-Typen, Schlagzähmodifikatoren und Vernetzungsadditive erfolgten systematische Untersuchungen zur Aufbereitung des schlagzähmodifizierten Kunststoffes durch Zugabe von Füllstoffen und Additiven, zum Einfluss der Bestrahlungsbedingungen der schlagzähmodifizierten Polyamid-Granulate sowie zu deren Verarbeitungsverhalten im Spritzgießverfahren.
Eine Zusammenfassung der Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen kann wie folgt getroffen werden:
- Eine Elektronenbestrahlung führt zu erhöhten Wärmeformbeständigkeiten und Kerbschlagzähigkeiten.
- Bei den schlagzähmodifizierten Polyamiden kann durch Elektronenbestrahlung eine selektive Vernetzung der Modifikatorphase ohne Vernetzung der Polyamid-Matrix erreicht werden.
- Der Einsatz von Vernetzungsadditiven im Modifikator führt nicht zu einer Verbesserung der Eigenschaften.
- Bestrahlungsdosen oberhalb 100 kGy führen zu einer starken Verringerung der Fließfähigkeit, die zu einer Beeinträchtigung der Verarbeitbarkeit im Spritzguss führen kann. Bis zu etwa 150 kGy kann in der Polyamid-Matrix keine Vernetzung nachgewiesen werden. Dennoch finden offenbar molekulare Veränderungen im Polyamid statt, die eine Beeinträchtigung des Fließverhaltens verursachen.
- Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass eine Modifizierung des schlagzähmodifizierten Polyamids bei seiner Herstellung mit einem geeigneten Vernetzer bereits ohne nachträgliche Bestrahlung eine Kennwerterhöhung bewirkt. Eine solche Modifizierung kann ohne jedwede Änderungen am Aufbau der Compoundierung und ohne nennenswerte zusätzliche Kosten vorgenommen werden und sollte daher von erheblichem praktischem Interesse sein.
Die im Vorhaben entwickelte Variante, das Polyamid-Granulat vor der Formgebung so zu bestrahlen, dass es anschließend noch zum gewünschten Endprodukt mit verbesserten Eigenschaften spritzgegossen werden kann und nachträglich nicht mehr vernetzt werden muss, ist für viele Anwendungen interessant. Die erzielten Ergebnisse eröffnen die Möglichkeit, maßgeschneiderte Produkte mit Eigenschaften herzustellen, die mit den kommerziellen schlagzähmodifizierten Polyamiden nicht erreicht werden können.
Die Investitionsbank Sachsen-Anhalt förderte das Projekt »Untersuchungen zur Eigenschaftsverbesserung von Polyamid-Bauteilen durch den Einsatz vorvernetzter PA-Granulate – PA-X-Granulat« (FKZ 1604/00111) innerhalb der Laufzeit 10/2016 – 09/2019.