Materialien elektronischer Baugruppen sind durch Umgebungsbedingungen wie Feuchtigkeit, Temperatur und Schadstoffbelastung korrosiven Prozessen ausgesetzt. Korrosion – also die Reaktion des Werkstoffs mit seiner Umgebung – tritt meist lokal auf und führt zu erheblichen Beeinträchtigungen von Bauteilen und Systemen; immer häufiger ist sie Ursache für den Ausfall von elektronischen Baugruppen.
Bereits seit 1992 untersucht das Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS mit seinem Centrum für angewandte Mikrostrukturdiagnostik CAM elektronische Baugruppen hinsichtlich ihrer Fehlermechanismen und Ausfallursachen. Der Anteil an Ausfällen durch korrosive Prozesse hat dabei in den vergangenen fünf Jahren deutlich zugenommen. Grund sind die fortschreitende Miniaturisierung und der breite Einsatz von Steuerelektronik beispielsweise in der Automobil- und Leistungselektronik.
Bisherige Standardtests zur Korrosionsprüfung sind sehr langwierig, aufwendig und können keine fundierten Erkenntnisse zum Korrosionsverhalten an realen Baugruppen liefern. Ein besonderes Problem stellen Steckverbinder oder Leiterplatten dar – Baugruppen, die für eine chemische Analyse schwer zugänglich sind. Das Fraunhofer IMWS erarbeitet gemeinsam mit der ECH Elektrochemie Halle GmbH im Forschungsvorhaben »Entwicklung eines elektrochemischen Schnelltests für hochzuverlässige Elektronikanwendungen – Analysen und Methodenentwicklung für elektrochemische Prozesse in Komponenten der Automobil- und Leistungselektronik« (ESAMKA) eine effizientere und umweltschonendere Prüfmethode. Im bis zum 31. Januar 2020 laufenden Forschungsprojekt soll eine schnelle und kostengünstige Prüfmethode zur Erforschung lokaler elektrochemischer Prozesse an Bauelementen und Kontakten von Automobil- und Leistungselektronik in Gegenwart von korrosiv wirkenden Medien entwickelt werden. Diese Methode kann im Bereich sicherheitstechnischer Anwendungen wie beispielsweise in der Technologiequalifizierung für das autonome Fahren zur Erforschung von chemischen Korrosionsmechanismen eingesetzt werden.
Die Prüfmethode beruht auf standardisierten elektrochemischen Messungen. Dafür ist die Entwicklung einer lokal einsetzbaren, miniaturisierten Korrosionsmesszelle notwendig. »Wir wollen unter den speziell geforderten Testbedingungen lokal ablaufende elektrochemische Reaktionen wissenschaftlich verstehen und charakterisieren, um auf dieser Grundlage optimierte Gegenmaßnahmen treffen zu können«, sagt Sandy Klengel, Projektleiterin am Fraunhofer IMWS. Die neue Prüfmethode des Fraunhofer IMWS und der ECH GmbH soll zur industriellen Prozesskontrolle genutzt werden. Das Hauptaugenmerk liegt dabei zunächst auf der Entwicklung einer lokalen Mikroprüfmethode für typische Schichtsysteme der Elektronikindustrie mit dünnen, wenige Nanometer dicken Metallisierungsendschichten aus Gold. Dabei sollen Fragestellungen zur Schichtkontrolle, Dichtheit und Ausfallphänomen wie zum Beispiel dem Black-Pad-Effekt – der Korrosion von stromlos abgeschiedenen Nickel-Gold-Oberflächen – untersucht werden. Die neu entwickelte Messmethode und das entsprechende Prüfgerät der ECH GmbH werden am Fraunhofer IMWS durch Vergleichsmessungen und durch begleitende hochauflösende physikalische Methoden (Rasterelektronenmikroskopie, energiedispersive Röntgenanalyse, Transmissionselektronenmikroskopie) überprüft. Damit kann die Korrelation der zu entwickelnden Methode zu den oben genannten Standardtests nachgewiesen werden, was die Grundlage für die Reputation des von der ECH Elektrochemie Halle GmbH zu entwickelnden Geräts am Markt schafft.
»Das neue miniaturisierte Prüfgerät erlaubt es erstmals, korrosive Prozesse in kleinsten Bauteilen der Elektronik zu charakterisieren, ohne auf die aufwendige Herstellung von Modellproben oder Referenzprobekörpern angewiesen zu sein. Das ermöglicht eine vielfach beschleunigte und effizientere Bewertung neuer Materialien und Materialkombinationen hinsichtlich ihres Korrosionsverhaltens«, bewertet Sandy Klengel das Forschungsprojekt abschließend.