Die Vakuum- und Sauerstofftherapie sind derzeit etablierte und heilungsfördernde Methoden zur Behandlung chronischer großflächiger Wunden. Bisher sind jedoch keine Anwendungssysteme verfügbar, die eine Kombination dieser effektiven Behandlungsmethoden ermöglichen. An diesem Punkt setzt das Verbundprojekt »ProTect« an. Gemeinsam mit der 1+ Steri Medizinprodukte GmbH aus Halberstadt und der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg forschen Mitarbeitende des Fraunhofer-Instituts für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS an einer Impulsdrainage, die als pulsierende flexible Wundauflage durch innovative Beschichtungen kleine und großflächige Wunden schneller verheilen lassen soll.
Bei der Wundversorgung haben Wundauflagen die Aufgabe, Blut und Wundsekret aufzunehmen und gleichzeitig die Wunde vor Schmutz, Bakterien und mechanischen Reizen zu schützen. Außerdem beeinflussen sie den Feuchtigkeits- und Temperaturhaushalt der Wunde und damit den Heilungsprozess. Je nach Größe und Art der Verletzung sind unterschiedliche Wundauflagen auf dem Markt verfügbar.
Eine besondere Herausforderung besteht bei Patienten, die aufgrund ihrer Immobilität viel liegen. Sie haben durch den erhöhten Auflagedruck oftmals Durchblutungsstörungen der Haut und somit ein größeres Risiko für eine chronische, schlecht heilende und sehr tiefe Gewebeschädigung, auch Dekubitus genannt. Für die Versorgung solcher Wunden kommen aktuell verschiedene Behandlungsmethoden zum Einsatz. Vor allem bei sehr tiefen, großen und infizierten Wunden werden Vakuum-Drainagesysteme angewendet. In die Wunde wird eine schwammartige Wundauflage, die nicht mit dem Gewebe verwächst, eingelegt, um den Heilungsprozess zu unterstützen. Darauf wird ein Drainageschlauch angebracht, der mit Klebefolie an der wundumgebenden Haut verklebt wird. Am Ende des Drainageschlauches wird durch ein Pumpsystem ein Unterdruck erzeugt, wodurch die Wundflüssigkeit abgesaugt werden kann.
Nachteilig ist hierbei jedoch der hohe Aufwand, da das Anlegen unter sterilen Bedingungen geschehen muss und die Materialkosten sehr hoch sind. Bei der hyperbaren Sauerstofftherapie atmen Patienten reinen Sauerstoff unter Überdruck ein. Dies führt zu einer Anreicherung des Blutes mit Sauerstoff, der wiederum die Heilungsprozesse im Wundgewebe begünstigen soll. Speziell für das diabetische Fußsyndrom ist diese Therapie etabliert. Jedoch gibt es aktuell noch kein System am Markt, das die Vakuumtherapie mit einer gleichzeitigen erhöhten Sauerstoffversorgung des Wundgewebes koppelt.
Durch das Verbundprojekt »ProTect« soll sich dies ändern. Innerhalb von zwei Jahren wollen die Forschenden ein innovatives, pulsierendes Drainage- und Wundauflagemittel entwickeln, das es ermöglicht, vor allem bei chronischen Wunden verschiedene Behandlungsformen parallel anwenden zu können und gleichzeitig die Nachteile gängiger Systeme zu beheben. Als flexible Einlage soll es sich leichter und besser an die Wundgeometrie anpassen. Gleichzeitig wird durch den periodischen Wechsel von Unter- und Überdruck, mit einem Sinuszyklus vergleichbar, der Stoffwechsel angeregt und die Wunde verformt, was die Wundheilung anregt und fördert. Durch integrierte, von den Druckkammern getrennte Labyrinth-Kammern, kann durch den Anschluss einer Vakuumpumpe Wundsekret abgesaugt werden. Innovative neuartige Beschichtungen, die auf die Kunststofffolien der Wundauflage aufgebracht und auf biologischen Rohstoffen wie Chitosan, Elastin, Kollagen und Gelatine basieren, sollen den Heilungsprozess zusätzlich unterstützen, indem beispielsweise überschüssige Enzyme im Wundsekret gebunden werden. Der Tragekomfort soll zudem entscheidend verbessert werden, so dass der Leidensdruck bei Patienten sinkt.
»Ich sehe auf dem Markt gute Chancen für unser neuartiges Produkt, da es viele Nachteile aktuell verfügbarer Systeme zur Behandlung chronischer Wunden beheben wird. Durch den demografischen Wandel wächst der Bedarf an solchen Behandlungsmethoden. Zudem wird die zu entwickelnde Wunddrainage auch ohne die zusätzlichen Vorteile der Proteinbeschichtungen anwendbar sein, so dass wir davon ausgehen, dass auf Grundlage der Ergebnisse weitere Produkte für den Wundauflageneinsatz entwickelt werden«, sagt Dr. Christian Schmelzer, Projektleiter am Fraunhofer IMWS.