Dass Korrosion wörtlich das »Zerfressen, Zersetzen, Zernagen« eines Materials bedeutet, erkennt man nicht nur beim Rosten von Eisen. Auch in vielen anderen Bereichen ist es problematisch, wenn ein Werkstoff mit Feuchtigkeit oder Gasen, wie zum Beispiel Sauerstoff und Stickoxiden in seiner Umgebung reagiert und daraufhin in seinen Eigenschaften beeinträchtigt wird. Ein neues Projekt am Fraunhofer IMWS sucht nun Lösungen, um Materialien für elektrische Kontakte durch eine Optimierung ihrer Oberflächen vor Korrosion zu schützen.
In vielen Bereichen gibt es bisher keine oder nur sehr unzureichende Lösungen zum Korrosionsschutz. Das Korrosionsproblem verschärft sich zudem noch: Zum einen werden elektronische Bauelemente und Baugruppen immer kleiner und zugleich komplexer – im Verhältnis zum Volumen vergrößert sich damit die Oberfläche, was mehr Angriffspunkte für Korrosion bedeutet. Zum anderen werden elektrische Komponenten immer extremeren Umgebungen ausgesetzt, etwa in Offshore-Windkraftanlagen oder im Motorraum von Autos. Dort treffen sie häufig auf Bedingungen, die Korrosion beschleunigen.
Die Folgen von Korrosion können gravierend sein: Beispielsweise in der Elektrotechnik, Elektronik und der chemische Industrie werden viele elektronische Steuer-, Regelungs- und Kommunikationssysteme eingesetzt, deren Zuverlässigkeit durch elektrochemische Korrosion beeinträchtigt wird. Funktionieren sie nicht ordnungsgemäß, kann die Produktion zum Stillstand kommen oder Sicherheitssysteme können ausfallen. Mehr Zuverlässigkeit will das Projekt »Korrosionsinhibierung durch selektive Bindung und oberflächeninitiierte Polymerisation ausgewählter organischer Verbindungen« des Fraunhofer IMWS und der SYNTHON Chemicals GmbH & Co. KG ermöglichen: Die Projektpartner wollen die Korrosion von Kontaktmaterialien verhindern, indem sie deren Oberflächen chemisch modifizieren und so optimieren.
Metallkontakte, die den Strom beispielsweise in Steuersystemen leiten, sollen dauerhaft und vollständig vor elektrochemischer Korrosion geschützt werden. Dazu werden Moleküle auf die Oberfläche gebracht und durch feste chemische Bindungen an das Metall gebunden, um so weitere Reaktionen des Materials mit der Umgebung zu blockieren. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf Kupfer, Nickel und deren Legierungen, insbesondere Messing, Bronzen und Nickellegierungen, denn diese werden beispielsweise in der Leistungs- und Automobilelektronik häufig als Kontaktmaterialien genutzt.
Im bis 30. November 2018 laufenden Projekt wollen die Forscher ermitteln, welche Substanzen als Korrosions-Blocker besonders geeignet sind. Das Anforderungsprofil: Die Substanzen sollen sehr fest an das Metall binden, die Reaktion des Metalls mit der Umgebung weitgehend hemmen und dabei selbst möglichst stabil bleiben. Zudem sollte die Substanzschicht eine noch ausreichend hohe elektrische Leitfähigkeit haben, damit die elektrischen Kontakte weiterhin funktionieren. Wichtig sind zudem eine hohe Temperaturstabilität, Oxidationsstabilität und Umweltverträglichkeit.
Dabei geht es zunächst darum, die Mechanismen der Korrosion und der einzelnen Teilreaktionen, die dabei ablaufen, aufzuklären und neue Schnellverfahren zu entwickeln, um die Wirkung einer großen Anzahl potenzieller Korrosions-Blocker zügig und genau bewerten zu können. Aus dem Vergleich der vielen Versuche soll dann ein »Phantombild« entstehen: ein molekulares Musterbild der chemischen Strukturen, die am meisten Potenzial für das Hemmen von Korrosion mit sich bringen. Danach gilt es, neue Substanzen herzustellen, die diese Strukturen aufweisen oder bekannte Substanzen so zu verändern, dass sie dem »Phantombild« möglichst gut entsprechen. Die besten Kandidaten werden dann immer weiter verfeinert. Die gezielte Herstellung neuer Substanzen für die Korrosionsinhibierung wird durch die Firma Synthon Chemicals in enger Abstimmung mit dem Fraunhofer IMWS vorangetrieben.
Die Forscher um Dipl.-Ing. Sandy Klengel und Dr. Uwe Spohn werden zur Bewertung der Wirksamkeit und zur Aufklärung der Mechanismen, die beim Eindämmen und Verhindern von Korrosion wirken, verschiedene Messtechniken anwenden und mit hochauflösenden Geräten selbst die Mikro- und Nanomorphologie der Kontaktoberflächen untersuchen können. So sollen detaillierte Aussagen über die chemische Zusammensetzung der Oberflächen möglich werden, bis deutlich wird, welche Zusammensetzung und Schichtstruktur den besten Korrosionsschutz bietet. Durch die im Projekt entwickelten Verfahren kann es somit auch möglich werden, später entwickelte Korrosions-Hemmer schnell und kostengünstig auf ihre Wirksamkeit zu prüfen. Bisher sind dazu umfangreiche und langwierige Bewitterungs- und Schadgastests notwendig.