Seit vielen Jahren ist der menschliche Knochen aufgrund seiner komplexen, hierarchischen Mikro- und Nanostruktur Gegenstand der Forschung. Bisher blieb offen, wie pathologische Veränderungen die Morphologie beeinflussen und welche mikromechanischen Prozesse auftreten.
Für das Verständnis sowie für die Behandlung der insbesondere im Alter auftretenden pathologischen Knochenveränderungen und den häufig daraus resultierenden Frakturen ist die Aufklärung der Struktur-Eigenschafts-Beziehungen des Knochens zwingend notwendig. Damit ist die Korrelation der Mikro- und Nanometerebene mit den auftretenden mikromechanischen Phänomenen bei Rissinitiierung, -akkumulation und –wachstum gemeint.
In Zusammenarbeit mit der Universitätsklinik Halle (Saale) wurden an extrahierten und entsprechend präparierten Knochenproben licht- und elektronenmikroskopische Untersuchungen sowie mikromechanische Experimente genutzt, um die Strukturveränderungen zu beurteilen und mikromechanische Prozesse zu beschreiben. Es zeigte sich, dass krankhafte Veränderungen des Knochens (Osteoporose, Osteonekrose) auf verschiedene Weise die Mikro- und Nanostrukturen beeinflussen. Auf Mikrometerebene sind das erhebliche histomorphometrische Veränderungen der trabekulären Struktur im Vergleich zum gesunden Knochen.
Auch auf der nanoskopischen Hierarchieebene des Knochens, die durch die mineralisierte Kollagenfibrille charakterisiert ist, ist ein krankheitsbedingter Einfluss auf die Knochenmorphologie sichtbar: Die im gesunden Knochen vorkommende regelmäßige Anordnung von Hydroxylapatit-Plättchen an die Kollagenfibrillen ist nicht mehr vorhanden. Insbesondere bei Osteonekrose konnten starke Zusammenlagerungen dieser Plättchen erkannt werden. Es wird vermutet, dass die hervorragenden mechanischen Eigenschaften des Knochens, die aufgrund der Kombination harter, fester Hydroxylapatit-Plättchen angelagert an eine weiche, duktile Kollagenmatrix zustande kommen, verloren gehen. In der Folge kommt es zu einer Versprödung des Materials Knochen durch einen erhöhten Mineralanteil.
Die Beschreibung mikromechanischer Prozesse erfolgte anhand der Untersuchung von Mikrorissen. Dabei wurde festgestellt, dass diese durch die mineralisierten Kollagenfibrillen des Knochens überbrückt werden. Eine solche intensive Überbrückung von Mikrorissen durch feine Fibrillen kann auch bei polymeren Werkstoffen beobachtet werden und ist unter dem Begriff »Crazing« bekannt. Daraus lässt sich schließen, dass der dominierende mikromechanische Rissbildungs-Mechanismus im Knochen ein crazeartiger Prozess ist. Ähnlich wie bei synthetischen Polymeren kann davon ausgegangen werden, dass »Crazing« auch für den Knochen ein entscheidender energiedissipativer und zähigkeitssteigender Mechanismus ist.