Leistungsfähige technische Fasern werden in verschiedenen Anwendungen eingesetzt, aber sie bestehen oft aus fossilen Rohstoffen und sind nicht biologisch abbaubar. Hier setzt das Projekt »scPLA-UD-Tape« des Fraunhofer Cluster of Excellence Circular Plastics Economy CCPE an, indem eigenverstärkte Werkstoffe für den Leichtbau, die hoch belastbar, biologisch abbaubar und deutlich besser zu recyceln sind, entstehen sollen.
In Sicherheitsgurten, in atmungsaktiver Kleidung, in besonders stabilen Betonstrukturen oder in medizinischen Implantaten finden sich leistungsfähige technische Fasern. Sie sorgen in faserverstärkten Kunststoffen für hochbelastbare und leichte Bauteile, etwa für die Automobilindustrie. Pro Jahr werden in Deutschland zig Tonnen solcher Fasern hergestellt, häufig aus Kunststoffen wie Polyester (PET) und Polyamid (PA), die aus fossilen Rohstoffen entstehen und nicht biologisch abbaubar sind.
Bei der Suche nach umweltfreundlicheren Alternativen ist Polymilchsäure (PLA) ein attraktiver Kandidat. Dieses häufig aus Mais oder Zuckerrüben hergestellte Biopolymer findet immer weitere Verbreitung in vielen Anwendungsfeldern. Für den Einsatz als Rohstoff für Verstärkungsfasern hat PLA jedoch bislang noch kein ausreichendes thermo-mechanisches Profil und kann nicht mit der Performance von PET und PA mithalten.
In früheren Forschungstätigkeiten ist es dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP gelungen, den Herstellungsprozess von qualitativ hochwertigen stereokomplexen PLA (scPLA) Filamentgarnen so weit voranzubringen, dass thermisch belastbare scPLA-Garne realisiert werden können, deren mechanisches Eigenschaftsprofil dem von technischen PET-Fasern sehr nahe kommt. Zur Herstellung von scPLA werden zwei PLA-Typen kombiniert, wobei Kristallstrukturen entstehen, die einen Anstieg der Schmelztemperatur um bis zu 60 Kelvin ermöglichen. In Kooperation zwischen dem Fraunhofer IAP und dem Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT konnte zudem demonstriert werden, dass scPLA-Filamentgarne als Verstärkungsfasern in PLA-basierten Organoblechen zielführend agieren können und entscheidende Vorteile für das Recycling bieten. »Weil Matrix und Fasern aus dem gleichen Material bestehen, entsteht ein Ein-Komponenten-Verbundwerkstoff, bei dem keine aufwändigen Trennschritte mehr nötig sind. Leichtbaumaterialien und -komponenten können so besser im Kreislauf geführt werden und einen zusätzlichen Beitrag zur Nachhaltigkeit liefern«, erklärt Dr. Evgueni Tarkhanov, Leiter der Entwicklung von scPLA-Fasern am Fraunhofer IAP.
»Diese verbesserten Eigenschaften von scPLA-Fasern wollen wir in einem UD-Tape als endlosfaserverstärktem Halbzeug zur Eigenverstärkung nutzen. Damit erreichen wir Materialeigenschaften, die für verschiedenste Anwendungen geeignet sind und können den Reifegrad dieser Technologie deutlich erhöhen«, sagt Ivonne Jahn, die das Projekt am Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS leitet. UD-Tapes sind dünne Thermoplast-Lagen mit einer Dicke von 200-300 µm mit einem sehr hohen Faseranteil. Die Verstärkungsfasern sind darin unidirektional ausgerichtet. Somit können sie in ihrer Weiterverarbeitung, die in einem sehr effizienten Schmelzeimprägnierverfahren erfolgt, lastgerecht und passgenau übereinandergelegt werden. Das bietet für den Leichtbau enorme Potenziale. So soll das UD-Tape als Halbzeug Faserondulationen vermeiden (eine Krümmung der Faser, die zu verringerter Festigkeit und Steifigkeit des Werkstoffs führen kann) und den Faseranteil im Werkstoff erhöhen. Als lokale Verstärkung in Bauteilen ist die Nutzung von UD-Tapes zudem deutlich materialsparender und damit ressourcenschonender als beispielsweise der Einsatz von gewebebasierten Organoblechen als Verstärkungskomponente, die, immer als großflächiges Halbzeug vorliegend, mehr Verschnitt beim Einpassen in die Bauteilgeometrie mit sich bringen.
Besondere Herausforderungen im Projekt sind die sensible Prozessführung bei der Tapeherstellung und -weiterverarbeitung. Die Identifizierung kritischer Einflussfaktoren auf die Faser-Matrix-Interaktion, die daraus abgeleitete Verbesserung der Faser-Matrix-Haftung und die weitere Optimierung der mechanischen Eigenschaften sind erklärte Projektziele. Die Projektpartner wollen in ihrem bis Ende des Jahres laufenden Vorhaben die Voraussetzungen für eine endkonturnahe Materialablage der UD-Tapes im späteren Bauteil setzen, um dadurch auch den Materialverschnitt deutlich reduzieren zu können.
Um erfolgreich zu sein, werden sowohl die scPLA-Verstärkungsfasern angepasst als auch unterschiedliche PLA-Matrixtypen mit verbesserten Fließeigenschaften erprobt und zudem der Prozess der UD-Tape-Herstellung für diesen Einsatzfall optimiert, damit die Bio-Fasern möglichst wenig beschädigt werden und die Faser-Matrix-Anbindung möglichst gut gelingt. »Wenn wir die Material- und Prozessentwicklung wie geplant meistern, lassen sich die Erkenntnisse auch auf andere eigenverstärkte Materialsysteme übertragen«, sagt Sascha Kilian, Projektleiter am Fraunhofer ICT. »Der Bedarf für solche Werkstoffe ist schon jetzt groß, von Mobilitätsanwendungen über den Medizin- und Sportgerätebereich bis zur additiven Fertigung.«