Wenn Bauteile aus Holz-Polymer-Compositen – also Verbundwerkstoffen aus Kunststoff und Holz – dauerhaft belastet werden, verformen sie sich. Ein Teil dieser Deformation kann auch dann im Bauteil gespeichert bleiben, wenn es wieder entlastet wird. Dieses »Kriechen« des Werkstoffs kann zu Rissen und Brüchen oder sogar zum Versagen des Bauteils führen.
Wie belastbar sind Holz-Polymer-Composite und wie lässt sich ihr Verhalten vorhersagen, vor allem in lasttragenden Strukturen? Diesen Fragen gingen das Fraunhofer IMWS und die NOVO-TECH GmbH & Co. KG aus Aschersleben in Sachsen-Anhalt in einem gemeinsamen Forschungsprojekt nach. Die beiden Partner haben innerhalb der zweijährigen Projektlaufzeit ein Bauteilsicherheitskonzept entwickelt, mit dem sich das Langzeit-Kriechverhalten vorhersagen lässt.
Basis für das Modell war eine umfassende Charakterisierung ausgewählter Halbzeuge der NOVO-TECH GmbH & Co. KG, die sich aus bis zu 80 Prozent mit Holz gefüllten Polymercompositen zusammensetzen. Neben thermomechanischen Untersuchungen, wie der dynamisch-mechanischen Analyse (DMA) oder der Thermodilatometrie, dienten auch klassische quasistatische Prüfmethoden, wie der 3-P-Biegeversuch als Datenbasis für die Beschreibung des Werkstoffverhaltens durch Modellgleichungen. Die Projektpartner nutzten zudem ein Modell mit fraktional-viskoelastischer Beschreibung. Dieses zeichnet sich durch eine sehr gute Abbildung von komplexen viskoelastischen Verhalten über eine große Zeitspanne und Temperaturbereiche aus und benötigt darüber hinaus auch nur eine vergleichsweise geringe Zahl von Parametern. »Anhand dieser Daten und Versuche konnten wir das Wissen um die Fähigkeit und Grenzen der Tragfähigkeit von Bauteilen aus diesem Werkstoff deutlich erweitern«, sagt Dr. Thomas Hanke, der das Projekt auf Seiten des Fraunhofer IMWS koordinierte.
Das erhaltene Werkstoffmodell ist theoretisch in der Lage, das Verformungsverhalten von Bauteilen aus diesem Werkstoff in ihrem gesamten Nutzungszeitraum zu berechnen. Dies schließt insbesondere Kriechverformungen bei wechselnden Lasten und Temperaturen mit ein. Die Aussagen des Modells konnten durch den Abgleich mit den Ergebnissen von angewandten Versuchen verifiziert werden. Dazu zählen insbesondere Dauerstandsversuche mit Versuchszeit von circa einem Jahr. Der erfolgreiche Abgleich wurde durch die Simulation des Bauteilverhaltens mithilfe einfacher analytischer Beziehungen, wie sie meist in der Baustatik angewendet werden, durchgeführt. Daher ist es ohne Weiteres möglich, das Modell zum Nachweis der Gebrauchstauglichkeit im Rahmen eines statischen Nachweises zu verwenden.
Zusammen mit den Festigkeiten aus klassischen Bruchversuchen bei verschieden Temperaturen im Einsatzbereich sind alle Voraussetzungen für die mechanische Auslegung von tragenden Bauteilen im Rahmen einer Bauzulassung gegeben.