Die Steigerung der mechanischen Performance von Verbundwerkstoffen wollen die Polymer Service GmbH Merseburg (PSM) und das Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS in einem gemeinsamen Forschungsprojekt erreichen. Sie setzen auf die Oberflächenbehandlung von Carbon-Verstärkungsfasern, um diese besser für den Einsatz in thermoplastischen Kunststoffen anzupassen. Von diesen optimierten Materialsystemen könnten insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen profitieren, um Halbzeuge mit besserer Performance und geringerem Entwicklungsaufwand herzustellen.
Unidirektional faserverstärkte Kunststoffe haben sich in vielen Bereichen des Leichtbaus bewährt. Die Verstärkungsfasern, meist Glas- oder Carbonfasern, werden dabei so in eine Kunststoff-Matrix eingebracht, dass ihre Ausrichtung optimal dem späteren Lastverlauf im Bauteil entspricht. Meist wird dieser Ansatz mit duroplastischen Systemen umgesetzt, also einer Herstellungsmethode, bei der sich die einmal produzierten Kunststoff-Bauteile später nicht mehr verformen lassen.
»Das hat verschiedene Nachteile. Der Herstellungsprozess ist aufwendig und zeitintensiv, duroplastische Materialsysteme können zudem nicht recycelt werden. Wir setzen deshalb auf Thermoplaste und wollen insbesondere die Einsatzmöglichkeiten von Carbonfasern in diesem Bereich verbessern«, sagt Nico Teuscher, der das bis Juli 2022 im Rahmen des Leistungs- und Transferzentrums Chemie- und Biosystemtechnik laufende Projekt am Fraunhofer IMWS leitet. Thermoplastbasierte Materialsysteme mit unidirektionalen Verstärkungsfasern, sogenannte Organobleche oder UD-Tapes, sind bereits am Markt erhältlich und bieten ideale Voraussetzungen für den Einsatz bei Serienanwendungen für große Stückzahlen, weil sie sich leicht und schnell verarbeiten lassen. Bisher sind sie aber vor allem mit Glasfasern verfügbar und schöpfen somit ihr Potenzial nicht aus.
»UD-Tapes mit Carbonfasern verfügen über noch bessere mechanische Eigenschaften, beispielsweise hinsichtlich der Zugfestigkeit. Sie sind deshalb sehr reizvoll insbesondere für den Einsatz in hochbelastbaren Strukturbauteilen. Bisher sind Carbonfasern aber vor allem für den Einsatz in duroplastischen Systemen ausgelegt. Im Projekt wollen wir sie für Thermoplaste optimieren. Dann ließen sich die Stärken von UD-Tapes mit den Stärken von Carbonfasern ideal kombinieren«, sagt Teuscher.
Dazu nötig ist beispielsweise eine Anpassung der Faseroberflächen und Faserimprägnierung, damit die Verstärkungselemente sich gut und gleichmäßig in eine thermoplastische Matrix einbetten und optimal an diese Matrix anbinden. Angestrebt wird eine Lösung, die eine individuelle Oberflächenbehandlung der Faser erlaubt, die auf das jeweilige Matrixmaterial zugeschnitten ist und sich direkt (inline) in den Prozess der UD-Tape-Herstellung integrieren lässt. Davon könnten insbesondere kleine und mittlere Unternehmen wie etwa Automobilzulieferer profitieren, weil dann Standard-Carbonfasern für ihre Anwendungen genutzt werden können, statt mit sehr viel Aufwand eigene und für die jeweilige Thermoplast-Matrix passgenaue Beschlichtungen der Fasern zu entwickeln.
Die Oberfläche von am Markt verfügbaren Standard-Carbonfasern wollen die Projektpartner mittels atmosphärischer Plasmabehandlung so modifizieren, dass die Faser-Matrix-Kopplung beim Einsatz in Thermoplasten verbessert und das Imprägnierverhalten der Fasern optimiert wird. Dabei steht sowohl die Frage im Mittelpunkt, welche Auswirkungen der neuartige Ansatz von atmosphärischen Plasmaentladungen unter Umgebungsluft auf die Oberflächenenergie, Morphologie, Oberflächenchemie und Grenzflächeneigenschaften von Carbonfasern hat, als auch die Auswahl weiterer Stoffe (Präkursoren, Inertgase), die für den Prozess hilfreich sein können. Ergebnis des Projekts soll ein Demonstrator sein, der die Inline-Plasmamodifizierung im Prozess der Schmelzeimprägnierung der Fasern möglich macht.
Neben der detaillierten Bewertung der mechanischen Eigenschaften und Morphologie der entstehenden Tapes werden dafür beispielsweise auch neue Bewertungsmethoden zur Faser-Matrix-Haftung entwickelt. Zudem nehmen die Projektpartner die Frage in den Blick, ob die erzielbaren Leistungssteigerungen den zusätzlichen Aufwand auch wirtschaftlich rechtfertigen, etwa hinsichtlich der Materialkosten oder der Auswirkungen auf die Prozessgeschwindigkeit. Die Möglichkeit zur Erprobung in industriekompatiblen Anlagen am Pilotanlagenzentrum PAZ bietet dafür ideale Voraussetzungen.
»Wenn wir erfolgreich sind, können unidirektional verstärkte, thermoplastische Kunststoffe für noch mehr Anwendungsfelder im Leichtbau eingesetzt werden. Sie verfügen über herausragende mechanische Eigenschaften und können somit etwa deutlich schwerere Metallteile oder auch duroplastische Lösungen im Bereich hochbelastbarer Struktursysteme ersetzen. Das wäre ein großer Beitrag zur Nachhaltigkeit«, sagt Teuscher.