Eine elektronische Steuerungseinheit für das Getriebe im Auto oder ein Wechselrichter in einer Windkraftanlage müssen Schwerstarbeit leisten. Solche Bauteile werden deshalb in schützende Gehäuse integriert, die oft aus Kunststoff gefertigt werden. Statt der sensiblen Elektronik sind dann diese Gehäuse äußerst rauen Umgebungen ausgesetzt: Sie werden durch Feuchte, Hitze und starke elektromagnetische Felder beansprucht. In einem gemeinsamen Projekt mit der 3P GmbH ermitteln Forscher des Fraunhofer IMWS, wie sich Kunststoffgehäuse unter solchen Bedingungen im elektrischen Feld verhalten und wie sich Materialien herstellen lassen, die als Schutzmantel für Elektronikbauteile am besten geeignet sind.
Von der Zuverlässigkeit der Gehäuse hängt letztlich die Zuverlässigkeit der Elektronik ab: Wenn plötzlich Feuchtigkeit eindringt oder das Gehäuse elektrisch leitend wird, können die Bauteile ausfallen – das Windrad steht still oder das Autogetriebe arbeitet nicht mehr ordnungsgemäß. Ein optimales Gehäusematerial sollte deshalb bestimmte Eigenschaften haben, beispielsweise eine geringe Feuchteaufnahme, hohe Beständigkeit gegen Chemikalien, hohe mechanische Festigkeit und hohe thermische Stabilität.
Im Projekt »Design4LES«, das bis Juni 2018 läuft, wollen das Fraunhofer IMWS und die Präzisions-Plastic-Produkte GmbH (3P GmbH) aus Neu-Staßfurt übliche Gehäusematerialien hinsichtlich ihres Verhaltens im elektrischen Feld charakterisieren. Dazu sollen spezielle Prüfkörper für elektrische Tests konzipiert und mittels Spritzguss gefertigt werden.
Damit könnten dann auch erstmals Versagensprozesse und -mechanismen unter direktem Feuchteeinfluss erforscht werden. Was passiert genau, wenn das Material belastet wird? Wie entstehen Defekte, wenn es hoher Feuchtigkeit ausgesetzt ist? Welchen Einfluss kann das auf die angrenzenden Elektronikkomponenten haben? Die Projektpartner gehen diesen Fragen nach und untersuchen den glasfaserverstärkten Kunststoff dabei bis auf die Ebene der Mikrostruktur.
»Bisher existiert in der Fachwelt kein fundiertes wissenschaftliches Verständnis dieser Prozesse. Der Zusammenhang zwischen Mikrostruktur, etwa den Poren oder der Anbindung der Glasfasern im Kunststoff, der Verarbeitungstechnologie und dem elektrischen Versagensverhalten thermoplastischer Werkstoffe unter Feuchteeinfluss ist weitgehend unbekannt«, sagt Sandy Klengel, die das Projekt am Fraunhofer IMWS leitet. »Ein besonderes Augenmerk richten wir deshalb auf die Mechanismen, die bei Eindringen von Feuchte zu Leistungseinbußen bei thermoplastischen Gehäusematerialien führen. Wir untersuchen, wie sich die Struktur der Materialien verändert und welche Auswirkungen das auf die Eigenschaften eines Werkstoffs hat. Vor allem für Anwendungen in der Leistungselektronik ist das eine wichtige Frage.«
In einem zweiten Schritt sollen deshalb nach Herstellung der Prüfkörper Bewertungs-, Modellierungs- und Diagnostikverfahren entwickelt werden. So können sowohl die Rezeptur des Materials als auch die Verarbeitungsschritte in der Herstellung – etwa die passenden Werte für Temperatur, Verweilzeiten und Spritzgießparameter wie Einspritz- und Nachdruck – optimiert werden. Im Ergebnis könnten innovative thermoplastische Gehäusematerialien und verbesserte Fertigungstechnologien entstehen, um die Qualität und Leistungsfähigkeit von Elektronikgehäusen deutlich zu steigern.